Brustkrebs – und jetzt?

Mein ungeschminkter Blog aus dem Leben heraus …

Wusstest du, dass jede 8. Frau in ihrem Leben die Diagnose Brustkrebs erhält?

Ich möchte dir eines aus tiefstem Herzen mit auf den Weg mitgeben: Bitte geh zur Früherkennung. Es ist dein Leben – und du hast nur eins!

Wenn es dich interessiert, dann schau dich auf der Homepage www.pinkribbon-deutschland.de um. Diese Botschafter/Innen haben es sich zur Aufgabe gemacht, durch ihre Brustkrebs-Sensibilisierungskampagne eine breite Öffentlichkeit auf die Wichtigkeit der Früherkennung aufmerksam zu machen. Denn Brustkrebs kennt keinen zeitlichen Rahmen.

Mich beschäftigt dieses Thema seit letztem Sommer verstärkt. Zu dieser Zeit sind drei meiner Freundinnen an Brustkrebs erkrankt und alle drei gehen mit der Diagnose unterschiedlich um. Ich selbst habe so viel Respekt vor dieser Erkrankung. Vor allem ziehe ich vor jeder Frau, die betroffen ist, den Hut. Welch großen Mut müssen sie aufbringen, weil sie wissen, dass der Weg nur nach vorne gehen kann um wieder gesund zu werden.

Nur Mut (Das Lied von Alexa Freser)

Ich möchte dich mitnehmen in das Leben meiner lieben Freundin Nevin, die im besagten letzten Sommer die Diagnose Brustkrebs erhalten hat. Als wir uns vor über 10 Jahren durch unsere ältesten Söhne kennenlernten, haben wir nicht im Traum an eine schwerwiegende Erkrankung gedacht. Da ich so viele Fragen zu dieser Krankheit hatte und sie nicht selbst beantworten konnte, bat ich Nevin um Unterstützung und mir meine Fragen in einem Interview zu beantworten. Nevin stimmte gern zu.

Nevin ist 47 Jahre alt. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern (22,18 und 8 Jahre) in einer kleinen Vorstadt von Augsburg.

Am Morgen unseres Gesprächs wurde ich sehr herzlich begrüßt und ich fühlte mich Zuhause bei Nevin direkt wohl. Ich bin Nevin von ganzem Herzen dankbar, dass ich ihr all meine Fragen stellen durfte.

1. Hast Du selbst bemerkt, dass etwas anders war, als sonst an deiner Brust?

Ich habe den Knoten entdeckt und bin sofort zum Arzt gegangen. Der Arzt hat leider die Brust nicht abgetastet, sondern nur zu mir gesagt, es wäre ein geschwollener Lymphknoten und hat mir eine Creme mitgegeben. Da stand ich nun. Aber ich spürte doch, dass etwas nicht stimmt. Mein Bauchgefühl täuscht mich doch nicht!

„Ich wusste schon immer, dass ich einmal an Brustkrebs erkranken werde.“

Der Knoten in der Brust wurde immer größer, es hat mir keine Ruhe gelassen. Ich habe mir einen neuen Termin geben lassen. Mittlerweile waren zwei Monate vergangen. Zeit die nicht zurück kommt! Ich wusste, jetzt werde ich mich nicht wieder einfach mit der Antwort zufrieden geben, dass es nur ein geschwollener Lymphknoten ist. Ich bat meinen Frauenarzt um eine Überweisung zur Mammographie. Er empfand mich als hysterisch und ich würde mir unnötig Gedanken machen.

Aber es ist doch mein Leben!!!

Ich bin dann zur Mammographie gefahren und ich bekam – wie ich schon befürchtet hatte – die Diagnose „Brustkrebs“.

2. Was würdest Du den Frauen raten, wenn sie sich nicht sicher sind beim Abtasten?

Jede Frau soll nach ihrem Bauchgefühl entscheiden. Und was ich für sehr wichtig halte: Man sollte sich immer eine zweite Meinung einholen! Lieber geht man einmal zu viel zum Frauenarzt als einmal zu wenig.

Es ist mein Leben!!!

3. Wie ist Deine Familie mit der Diagnose umgegangen?

Mein Mann hat heimlich getrauert, allein, und er hat es in der Familie nicht gezeigt. Er hat sich in der sehr schwierigen Zeit, als ich die Chemotherapie erhalten habe, sehr fürsorglich um mich gekümmert. Ich konnte mich immer auf ihn verlassen – das hat mich auch entlastet. Meine Tochter hat mir angeboten, dass sie ihre Haare auch abrasiert. Mein großer Sohn hat mich sehr umsorgt und mir im Haushalt geholfen. Meinem kleinen Sohn habe ich nicht die Wahrheit gesagt. Ich habe meinen geschwollenen Arm als Ausrede genommen. Der würde ein wenig schmerzen, aber das würde schon wieder …

Ich finde es ist sehr wichtig, ganz offen mit den Kindern zu reden. Vor allem, wenn sie schon älter sind. Die Kinder spüren es, dass etwas nicht stimmt und wollen nicht angelogen werden.

In der ganzen Zeit hatte ich auch Tage, da ging es mir psychisch nicht gut. Das habe ich in meiner Familie offen angesprochen. Alle hatten immer dafür Verständnis und haben mich dann in Ruhe gelassen.

4. Stellst du dir manchmal die Frage: „Warum bin ich erkrankt?“

Nein, diese Frage habe ich mir nie gestellt. Ich bin fest davon überzeugt, es sollte so sein, dass ich mein Leben nochmal überdenke; dass ich mich zum Umdenken bewege. Diese Erkrankung gab mir die Chance, sich nur um mich zu kümmern.

Ich bin seit der Erkrankung der wichtigste Mensch für mich. Dann kommt meine Familie, mein Umfeld, meine Bekannten. Vor der Diagnose habe ich immer allen anderen geholfen und mich selbst immer hintenangestellt. Hauptsache, es geht den anderen gut und dann kam erst ich. Ich habe mich nie als den wichtigsten Menschen gesehen – ich habe immer nur funktioniert.

5. Nenne mir bitte drei Dinge, die Dich während der Erkrankung unterstützt haben!

  • Mein Mann – er war und ist immer für mich da.
  • Die Kinder. Das hätte ich nie für möglich gehalten. Selbst mein damals 7jähriger Sohn war mir eine große Unterstützung.
  • Meine Nichte hat mich sehr unterstützt. Sie war und ist eine sehr große Hilfe. Ich konnte ihr alles anvertrauen, auch wenn ich mal meine Heultage hatte. Ich durfte bei ihr so sein, wie ich mich an dem Tag gerade fühlte.

Liebe Nevin, was ich bei Dir so schön finde: Ich kenne Dich schon sehr lange. Für mich bist Du ein sehr positiv eingestellter Mensch. Nach der Diagnose hast Du Deine positive Einstellung und Deinen tollen Humor nicht verloren. Das finde ich so bewundernswert.

6. Wie ging Dein Umfeld mit Deiner positiven Einstellung und Deinem Humor um?

Man kennt es ja: Wenn einem eine solche Diagnose gesagt wird, verliert man die Füsse unter dem Boden. Das Leben fällt wie ein Kartenhaus zusammen und mittendrin befindet man sich mit dieser Diagnose und fühlt sich alleine gelassen.

Ich habe mir meine positive Einstellung und meinen Humor trotz alledem bewahrt. Meine Familie kennt mich nicht anders. Die entfernten Bekannten haben mir das nicht abgenommen. Sie kannten in ihrem Umfeld niemanden, der nach so einer Diagnose weiterhin seine positive Einstellung behalten hat. Ich bin fest überzeugt, das hat mich davor bewahrt, nicht einzubrechen. Ich hatte keine einzige Entzündung, so dass ich meine Chemotherapie auch nicht abbrechen musste. Die Chemotherapie hat vieles von mir abverlangt.

7. Wie ist es Dir ergangen, als Du Dir die Haare abrasiert hast?

Ich hatte von Natur aus sehr starke und viele Haare. Als ich mit der Chemotherapie anfing, hatte ich jeden Tag immer wieder Haare im Waschbecken. Ich habe dann für mich entschlossen: Ich lasse mir meine Haare abrasieren. Eine Perücke besitze ich, aber ich wollte keine aufsetzen. Warum soll ich mich unter einer Perücke verstecken? Die Glatze gehört zu mir. Darin war ich mir ganz klar: Ich werde das Haus mit der Glatze verlassen. Das bin ich. Ich werde mich nicht für mein Umfeld verbiegen. Es war mir auch egal, was die anderen von mir gedacht haben.

8. Was hättest Du Dir während Deiner Erkrankung von Deinen Freundinnen gewünscht?

Mehr Verständnis. Zeit, sich mit mir zu treffen, damit ich ein wenig abgelenkt wäre. Durch meine Erkrankung habe ich ein paar Freundinnen verloren. Sie konnten mit mir nicht mehr umgehen, ich habe mich verändert. Die alte Nevin gibt es nicht mehr und sie wird es auch nicht mehr geben.

9. Was wünschst Du Dir jetzt von Deinen Freundinnen, die an Deiner Seite sind?

Dass sie mich so akzeptieren, wie ich jetzt bin. “Ich selbst“ bin der wichtigste Mensch und so wird es auch bleiben. Ich werde meine Bedürfnisse auch immer wieder berücksichtigen, sie dürfen beachtet werden. Ich werde in Zukunft nicht mehr „Ja“ sagen, wenn ich aber doch „Nein“ meine.

10. Du kommst aus einem ganz anderen Kulturkreis, Deine Eltern sind aus der Türkei nach Deutschland ausgewandert. Du bist hier aufgewachsen. Wie ist Deine Ursprungsfamilie mit Deiner Erkrankung umgegangen?

Schwer! Man legt lieber eine Decke darüber. Man spricht nicht darüber. Meine Verwandtschaft hat mich nie auf meine Glatze oder meine Gewichtsveränderung angesprochen. Sie haben sich einfach nicht getraut. Die Angst überwiegt, etwas Falsches zu sagen.

11. Zum Abschluss, liebe Nevin: Zu welchen Erkenntnissen bist Du gekommen?

  1. Ich bin wertvoll, so wie ich bin.
  2. Ich stehe jetzt an erster Stelle.
  3. Wenn ich „Nein“ meine, bleibe ich dabei.
  4. Ich gehe jetzt achtsamer mit meiner Zeit um.
  5. Ich freue mich sehr über Kleinigkeiten. Die beachte ich jetzt mehr.
  6. Was ich nicht mehr mache: Ich habe vor der Erkrankung meine Familie vernachlässigt, weil ich überwiegend meinen Freunden Hilfe angeboten habe und ihnen behilflich war.
  7. Meine Familie ist mein Fundament und ich bin sehr dankbar für meine Familie.

Es ist so wichtig, diese positive Einstellung nicht zu verlieren. Es ist so förderlich für die Zeit während der Behandlung und auch danach.

Liebe Nevin, vielen lieben Dank für Deine Zeit, die Du mir geschenkt hast. Du hast mir meine Fragen so offen und ehrlich beantwortet. Ich wünsche Dir von ganzem Herzen alles Liebe.

Behalte Deine positive Einstellung und Deinen Humor. Das bewundere ich so an Dir.